MasterMarc: Hallo Nicolas. Wenn man deine tollen Werke als Comic-Künstler sieht so komme ich zu folgendem Schluss: Du bist definitiv kein Hetero, du hast klare Fetische, bist kinky und du liebst Schwänze und Porno-Darsteller. Seh ich das richtig? Aber zuerst einmal, wie würdest du selbst deine Kunst beschreiben?
Nicolas Brunet: Hallo, Klar hast du recht, aber ist es so offensichtlich dass ich nicht hetero bin? Und ich gebe gerne zu, dass ich ab und zu kinky bin. Ich mag Pornodarsteller, davon gibt es ja sehr viele und klar darunter befinden sich einige Gesichter, die ich aus künstlerischer Sicht sehr spannend finde, aber es sind nicht nur Pornodarsteller. Es kann auch der Typ sein den ich zufälligerweise auf der Strasse oder im TV sehe, den ich spannend finde. Ich finde meist dann jemand attraktiv, wenn ich irgendwas am Typen sehe dass ich sexy, schön oder entzückend finde, ich aber nicht genau sagen kann, was es ist. Dann muss ich den Kerl zeichnen um selber herauszufinden, weshalb ich ihn faszinierend finde. Ich weiss nicht, ob du verstehst was ich meine.
Meine Kunst zu beschreiben ist für mich selbst sehr schwer …. Ich selbst fühle mich von vielem angezogen, von soften, über vollendende bis zu harten und trashigen Bildern. Ich denke das ist die Zusammenfassung, die ich machen kann, wenn ich so meine Illustrationen und Comics betrachte. Aber ich denke ich bin nicht die richtige Person, um mein Werk zu beschreiben.
MasterMarc: Es ist immer das schwierigste sich selbst und seine Arbiet zu beschreiben. Es wäre wohl viel einfacher, wenn ich dich über das Werk eines anderen Künstlers fragen würde. Aber lass mich doch einfach einige Fragen dazu stellen. Sind das eigentlich Zeichnungen auf Papier und Leinwand oder ist es Kunst die nur am Computer entsteht? Kannst du uns auch ein wenig über die einzelnen Schritte der Realisation so eines Werkes aufklären?
Nicolas Brunet: Zuerst mach ich einen Entwurf mit Bleistift, dann ziehe ich die Konturen mit Tinte nach. Danach wird es gescannt und dann wirds am PC eingefärbt. Früher malte ich auch mit Wasserfarben. Ich mag es eigentlich aber mache es nicht mehr oft.
MasterMarc: Wo findest du deine Motive und wie muss es sein, damit es für dich auch interessant ist?
Nicolas Brunet: Wenn du nach meiner Motivation fürs Zeichnen fragst, dann ist es nichts anderes als meine Freude es zu machen und wenn es dann noch anderen Leuten gefällt, dann umso besser. Es hört sich vielleicht ein wenig egoistisch an, aber ich bin nicht gut, wenn ich irgendetwas unter Druck machen muss, das ich gar nicht machen will. Ich zeichne instinktmässig. Aber es ist interessant z.B. auf Tumblr zu beobachten, was Leute dann mögen (oder zumindest so tun als ob sie es mögen würden), was für Fetische und Typen sie bevorzugen. Ich finde das grossartig, denn ich bin neugierig und liebe verschiedene Arten von Typen und Fetische zu zeichnen. So sag ich mir als Beispiel dann selbst: “Da mag einer an Sneax zu schnüffeln. Komm ich versuch das mal zu zeichnen!” Die Herausforderung liegt dann darin, dass ich alle Codes eines Fetischs dann beachte und in das Bild einfliessen lasse.
Wenn du dich auf die Themen beziehst, die ich zeichne, so finde ich die überall im leben. Das kann zum Beispiel ein Bild sein das ich im Internet oder Fernsehen gesehen habe. Da gibts z.B. ein Bild das ich gemalt habe, nachdem ich die britische TV-Sendung Hercule Poirot gesehen habe. Daraus wurde ein Typ in Strapsen mit einer Taschenuhr. Meist starte ich nur mit einer groben Idee und während ich dann zeichne entwickelt sich das Motiv. Ab und zu fordere ich mich auch selbst heraus und male etwas, was ich noch nie gemacht habe wie den Meerjungmann, den ich dieses Jahr gezeichnet habe.
MasterMarc: Wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass du sexuell der passive Typ bist oder zumindest versatil mit einer dominanten passiven Seite. Ich komme zu diesem Schluss weil Schwänze in deinen Bildern eine überdimensionale Wichtigkeit haben. Welche Bedeutung hat der Penis denn für dich?
Nicolas Brunet: Ah ah! Du ratest richtig! Die Bedeutung von Penisen? Hmm, das ist eine interessante Frage … In meiner Kunst vergrössere ich sie, weil Kunst ja Phantasie ist und man kann da machen, was man will. Und da ich versuche Porn-Art zu machen, so ist es doch fast schon normal, dass ich die Schwänze grösser, wie auch ein Bubble-Arsch schöner ist als ein flacher. Aber ich selbst bin kein wirklich guter Arsch-Zeichner, also zeichne ich Penise. Und ist ein grosser Schwanz nicht geiler zu betrachten?
MasterMarc: Klar sieht es gut aus aber es hat für mich sicher nicht die gleiche Bedeutung, die es für dich hat. Was ist denn eigentlich der Männertyp den du bevorzugst? Zum einen als Künstler aber auch als Mann?
Nicolas Brunet: Das ist eigentlich ja mein Problem aber gleichzeitig auch ein Vorteil: Ich liebe zu viele Typen! Das kann vom 20jährigen Studenten bis zum 50jährigen Daddy gehen, von dünn bis muskulös … Ich hab vor kurzem bemerkt dass ich mich von Stereotypen in jeder Form, ich würde fast schon Klischees sagen, angezogen fühle: Von Glatze bis farbiges Haar, unterschiedliche Körpertypen, von Anzug und Krawatte bis Punk, Skinheads, Sportswear, von Stiefel bis Sneakers, vom tendigen Fashion-Typen bis zum Leder- und Rubbertypen. Auch beim Sex bin ich so, von einfachem Küssen bis zu harter Folter, Gerüchen, von Rollenspielen bis zu Sklaverei. Überall sehe ich sexy Typen aber bei jedem gefällt mir was anderes. Da liegt das Problem darin, dass ich keine Vorzüge haben, weil ich zu viele offene Türen kennen mit ihren unterschiedlichen Kreationen und Vorstellungen.
MasterMarc: Das macht es nicht wirklich einfach für dich. Und die Gefahr besteht auch darin, dass der aktuelle Typ den du gerade hast, dich schnell langweilen kann. Wie muss der Typ denn sein, um dich länger zu faszinieren und mit welchem Fetisch fühlst du dich selbst wohl?
Nicolas Brunet: Der Typ der mich am längsten fasziniert hat war Darius, der Held meines Comics “Straight To … #2”. Das dauerte ein halbes Jahr! Du hast aber recht, ich kann mich sehr schnell ab Typen oder Sachen langweilen. Das ist einer der Gründe weshalb ich nicht viele Comics zeichne, da dies einige Monate Arbeit ist und ich nicht wirklich geduldig bin. Ich muss wirklich sehr motiviert sein um einen Comic zu beenden. Comics zu zeichnen bedeutet über viele Tage hinweg immer den selben Charakter zu zeichnen. Das ist ein sehr komisches Gefühl.
Bei welchem Fetisch ich mich als Zeichner selbst wohl fühle? Da muss ich sagen bei keinem, denn die sind alle schwierig zu zeichnen hehehe! Ich bin am Schluss meist zufrieden wenn ich Leder und Rubber gezeichnet habe, wenn man von den Schwierigkeiten beim Zeichnen absieht.
MasterMarc: Und in deinem eigenen Sexualleben?
Nicolas Brunet: Das kommt auf den oder die Typen an, der vor mir steht oder die vor mir stehen!
MasterMarc: Das hört sich sehr devot an. Ein wenig wie “Wie heisst du?” – “Du kannst mich so nennen wie du willst, Schatz!” 🙂 Was ist für dich zur Zeit dein Lieblingskunstwerk und warum?
Nicolas Brunet: Mein Lieblingskunstwerk im Allgemeinen, in der ganzen Kunstgeschichte? Ich liebe “La jeune Martyre” (1836) von Paul Delaroche. Sein ganzes Werk ist eigentlich grossartig. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment als ich besagtes Bild das erste Mal im Louvre sah. Ich spürte viel Authentizität in der Kombination und Mischung der Farben und der Stimmung die sie erzeugen. Dies hat mich fast zum weinen gebracht. Einige Jahre später bestand ich an der Kunsthochschule mein Examen mit einer Arbeit über ihn. Da gibt es ein Zitat von ihm, das mir sehr gefällt: “Es gibt mehr als einen Weg zum Glück. Folge deinem!”
MasterMarc: Welche Künstler haben dein Werk beinflusst?
Nicolas Brunet: Da gibt es viele. Ich könnte dir fast eine endlose Liste nun aufzählen. 🙂
Ich fing etwa mit acht oder neun Jahren an zu zeichnen. Erst zeichnete ich viele Mangas und japanische Comic von Shingo Araki, Yoshiyuki Sadamoto, Rumiko Takahashi und viele andere nach. Während meiner Gymnasialzeit vertiefte ich mich in Cinematographie und an der Universität studierte ich dann die Theorie und Praxis der Kunst. Ich hab viele Künstler die mich beeinflussen und es kommen immer neue dazu. Porno zeichne ich erst seit ungefähr fünf oder sechs Jahren. Dabei kann ich nicht verleugnen dass Patrick Fillon einen grossen Einfluss auf mich hatte und noch immer hat. Ich fühlte mich dann sehr geehrt, als er mir mitgeteilt hat, dass er meinen Comic verlegen wird. Für mich ist es sehr schwer zu unterscheiden, welche Künstler ich einfach mag und welche mich beeinflusst haben. .. Ich denke ich pick mir bei jedem von ihnen etwas raus, die Art Farben zu mischen, wie man Licht und Schatten einsetzt, etc. Oftmals wenn ich eine Illustration oder Comic sehe denke ich mir “Das ist genau was ich machen will!” um mir dann selbst zu erwidern “Nein, mach deine eigenen Sachen!”.
MasterMarc: Ich kann das mit dem Einfluss vieler Künstler sehr gut verstehen. Dennoch werden sich jetzt wohl einige Leser wundern, dass du die Ikone der schwulen Fetischkunst nicht genannt hast: Tom of Finland!
Nicolas Brunet: Das kann ich gut verstehen. Ich habe grosse Achtung vor dem Werk von Tom of Finland und schätze es sehr, aber ich kann nicht sagen, dass es mich beeinflusst hätte. Ich weiss zwar nicht warum, aber wohl deshalb, weil ich sein Werk erst spät entdeckt habe. Ich kann nicht negieren wie talentiert er war und wie fruchtbar seine Arbeit ist, aber ich fühlte mich nie sehr von seiner Arbeit berührt. Das ist wohl eine Frage des persönlichen Geschmacks.
MasterMarc: Bei Kunst geht es doch immer um den persönlichen Geschmack. Klar auch um Technik, aber das setzt man bei Künstlern voraus. Ich bin sicher du wirst uns hier noch einige deiner Werke zeigen aber wo können unsere Leser deine Bücher, Zeichnungen und Comics finden und auch kaufen, denn auch ein Künstler braucht Brot zum überleben?
Nicolas Brunet: Man findet all meine Kunstwerke auf meinem Blog und meine Comics werden auf ClassComics vertrieben. Ich verkaufe die einzelnen Illustrationen eigentlich nicht. Es geht nicht darum dass ich finden würde, sie wären nicht gut genug. Dafür erhalte ich zuviel positive Feedbacks von Leuten aus der ganzen Welt (welchen ich hier auch herzlich danken will, weil diese mir wirklich helfen). Ich male aus Spass und ich hätte keine Ahnung wieviel so eine Illustration überhaupt kosten würde. Ich hab ab und zu für lokale schwulen Bars oder Saunas Logos gemalt, aber das war richtig ein Stress mit der Verantwortung. So bevorzuge ich es einen Teilzeit-Job zu haben, der nichts mit Kunst zu tun hat. Ich hab wohl Angst, dass mir das Zeichnen verleiden würde, wenn das meine einzige Beschäftigung wäre oder dass mir die Freude vergehen würde. Und obwohl ich Franzose bin, esse ich kein Brot sondern nur Pasta. 🙂
MasterMarc: Bist du sicher, dass du Franzose und nicht Italiener bist? 🙂 Es war toll mit dir zu sprechen und ich kann nur hoffen, dass dir das Zeichnen nicht verleidet, denn für uns alle ist es eine Freude, deine Werke zu sehen.
Nicolas Brunet: Hehe! Ich esse Brot nur mit Fois Gras! 🙂 Ich danke dir für das Interview und werde sicherstellen, dass ich weiter zeichnen werde!