A talk with Boxer Barcelona boss Cameron about changes in the fetish world.
sadOsam: Hallo Cameron. Du lebst schon seit langem ein Leben voller Fetische und betreibst zusammen mit deinem Ehemann seit über 8 Jahren mehrere Fetisch-Shops und ein eigenes Fetisch-Label. Wie hat sich eigentlich über all die Jahre die Fetisch-Szene verändert? Was waren deine ersten Schritte in der Fetischwelt und wie kamst du eigentlich dazu?
Cameron: Ui, deine Einleitung lässt mich aber alt erscheinen. Ich will hier festhalten, ich bin erst 43! 🙂 Viele Leute denken ich sei Spanier. Das stimmt aber nicht. Ich bin Engländer und vor 14 Jahren nach Barcelona gezogen.
Da das Internet, erst als ich in meinen späten 20ern war, so richtig an Bedeutung gewann, war das erkunden der Fetisch-Welt mehr eine Underground-Sache und ein risikoreicherer Weg, bei dem man auf Annoncen in Magazinen antworten musste, dann mit dem Zug oder Bus zu jemanden gereist bist, den du nur von Anrufen aus einer Telefonzelle (Mobiltelefone gab es noch nicht) kanntest. Es scheint komplizierter, aber es war eigentlich anregender als kurz auf Recon zu gehen. Heutzutage ist es fast zu einfach!
Meine erste schwule Lederfetisch-Erfahrung war damals während einer Wochenendreise nach Amsterdam. Danach ging ich für drei Monate nach San Francisco. Ich hab da aber damals gerade die Zeit erwischt an der die Aids-Epidemie in den USA ihren Höhepunkt erreicht hat. So was hatte ich zuvor in England noch nie gesehen, sodass ich mit meinen 23 Jahren ein wenig ängstlich war. Die Kerle in den Lederbars waren viel älter und schienen Krank oder Halbtot, obwohl damals auch die retroviralen Behandlungsmöglichkeiten eingeführt wurden, was manche Wiederauferstehung Totgeglaubter brachte.
Da ich aber schon seit meinen Teenagerjahren, oder sogar früher, auf Leder, Stiefel, Arbeiterkleidung, Biker Gear und enge Kleider im Allgemeinen stand, schaute ich immer geilen Typen in Gear nach und es war auch immer mehr ihr Look als ihre physischen Attribute, was mich richtig angemacht hat.
Als ich 26 war zog ich nach London und da kam ich noch viel tiefer in die Fetisch-Szene rein. Dann gab es dann endlich Gaydar, dann Worldskins, und später Recon, man hatte Handys und ich hatte auch ein Auto … “The Hoist”, das “Backstreet” und eine monatliche Fist Party gehörten neben den den Online-Dates fest zu meiner Agenda.
Die ersten Fetisch-Shops, die ich besuchte, waren Mr S in San Francisco und das Expectations und Regulation in London, Obwohl ich auch zu der Zeit jemand war, der gerne in Secondhand-Shops, Motorrad- und Arbeitsbekleidungsgeschäften einkaufte. Das sind für mich die Orte, an denen du gute Fetisch-Kleidung findest. Heutzutage sage ich oft zu Jungs, die bei mir in die Läden laufen und sich über die Preise unserer verhältnismässig preiswerten Leder-Ausrüstung beschweren: “Was sucht ihr hier? Besucht Secondhand-Geschäfte, seid individuell, sucht im Internet oder besser noch, stellt euch eure Sachen selbst her. Da könnt ihr euren individuellen Style als Punk, Skinhead, etc. selbst kreieren.” Das war was ich selbst gemacht habe und daraus ist unser Business entstanden, bei dem ich nun mit einem professionellen Designerteam zusammenarbeite und wir selbst unsere Kollektion kreieren. Dabei schauen wir immer, dass wir es zu einem möglichst fairen Preis herstellen.
sadOsam: Im Verlauf dieser Jahre hat sich die Gear-Szene mächtig entwickelt. Wie denkst du, hat sie sich verändert?
Cameron: Es gibt auch im Gearbereich Modetrends und es kommt ab und zu was neues auf. So war ab dem Jahr 2000 der Skin-Fetisch für ca. 10 Jahre sehr in, dann kamen Bikeroutfits und Sportswear mächtig auf. Auch Neopren hat seine Anhänger gefunden. Dabei behalten aber Leder und Rubber ihre grosse Fangruppe. Gear würde ich so definieren, dass es das ist, was dich geil macht und das können ganz verschiedene Dinge und Vorlieben sein, die sich mit der Zeit auch verändern können.
sadOsam: Was denkst du über diese Veränderungen? Ist das gut so?
Cameron: Wir sprechen hier über das Sexualleben von Leuten, ihren Fantasien und Turnons. Am besten du analysierst das ganze nicht, denn das würde wohl dazu führen, dass es dich abturnt. Kerlen, die diesen Veränderungen negativ gegenüberstehen würde ich sagen: Die Welt dreht sich und dein Lieblingsfetisch wird sicher mit der Zeit wieder an Beliebtheit gewinnen.
sadOsam: Wie hat all dies eigentlich euer Business beeinflusst, wie passt ihr eure Kollektionen an die veränderten Wünsche an und musstet ihr euren Style verändern?
Cameron: Ich denke Boxer Barcelona war dahingehend ein Vorreiter, dass wir dem Design, Sitz und Tragegefühl höchste Priorität zugeordnet haben und versuchen Ideen zu verwirklichen, die uns selbst auch anturnen. Bei einigen gelingt es, bei anderen nicht. Aber klar, am Ende entscheidet der Kunde was er will. Wir haben unsere Vorstellungen und Vorlieben nicht aufgegeben, aber klar, wir schauen darauf was das Publikum will und was weniger und produzieren auch so.
Wir präsentieren jeden Monat 5 bis 10 Neuheiten und halten auch immer nach neuen Materialien ausschau. Dabei erhalten wir aber auch unsere grosse Lederkollektion und aktualisieren diese auch. Seit kurzem haben wir nun auch eine Neopren- und Neolatex-Kollektion, welche recht erfolgreich ist.
sadOsam: Gibt es in deinen Augen neue Trends, die sich durchsetzen werden?
Cameron: Ja. Die starren Regeln und Grenzen wurden niedergerissen. Fusion ist der kommende Trend: Vermische alles mit allem. Da wirst du Typen in sexy Boots und einer Lederjeans sehen, der jedoch ein neongelbes Plastik-Harness (diese verkaufen wir nicht!) trägt, sehen. Oder Kerle mit Cowboy-Stiefeln, Speedo und Rubber-Weste. Die Fetisch-Welt ist nicht mehr so ernst, nicht wirklich mehr eine Underground-Szene und sie ist viel lebensfroher … Ich würde fast schon wagen zu sagen, Fetisch wird durch den Mix mit der Club-Szene fast schon Mainstream. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Akzeptanz der Schwulen gewachsen ist und wir im grössten Teil Europas unsere Lebensart offen leben können.
Einen weiteren Einfluss auf die Veränderung der Fetisch-Kleidung hatten sicher auch die Tattoos. Die Leute wollen ihre unglaublichen Tattoos zeigen und somit sind Ganzkörperanzüge nicht mehr so gefragt. Boxer Barcelona hat diesen Trend der Gesellschaft schon früh erkannt und wir versuchen dies auch umzusetzen. Es arbeiten viele junge Typen für unsere Firma und wir hören, was sie für Ideen haben. Diese Offenheit bedingt jedoch auch, dass wir ab und zu in diesem Prozess die Bremse ziehen, um nicht zu sehr in einem Fetisch-Misch-Masch abzugleiten.
Früher war die Fetisch ziemlich direkt mit der SM-Welt verbunden. Dies ist heutzutage viel weniger der Fall. Es gibt viele Leute, die zwar Fetisch-Gear mögen aber keine SMler sind. Dies haben wir in unseren Geschäften auch berücksichtigt. Wir haben zwar eine gute Auswahl an Fetisch-Toys, wollen aber nicht SMler nicht damit erschrecken. Wir versuchen unsere Geschäfte so zu gestalten, dass sich jeder Fetischliebhaber bei uns wohl fühlt. Das hört sich einfach an, war aber harte Arbeit und brauchte einige Jahre.
sadOsam: Lieber Cameron, herzlichen Dank für die Zeit die du dir für uns genommen hast. Und dir weiterhin viel Erfolg im Geschäft und noch viel mehr Spass in deinem eigenen Fetischleben.
Cameron freut sich, von euch Ideen zu Fetishgear zu erhalten. Falls du also eine Anregung hast, so kontaktiere ihn über sein Facebook-Profil. Hier findest du die Homepage von Boxer Barcelona